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Deutsch-Finnisches Gespräch: Museumsangebote für blinde und sehbeeinträchtigte Gäste

Das zweite „Deutsch-Finnische Gespräch“ am 11.5.2021 widmete sich den Möglichkeiten, nicht sehenden Besucher*innen ein genussvolles Kunst-Erlebnis zu bieten.

Birgit Baumgart arbeitet als Museumspädagogin im Staatlichen Museum Schwerin seit vielen Jahren sehr erfolgreich mit Gästen, die selbst die eindrucksvollen Kunstwerke nicht sehen können.

Dabei entstanden im Laufe der Jahre nicht nur vielfältige Erfahrungen und methodische Expertise, sondern auch wegweisende Produkte wie das Lese-Tast-Hörbuch „Das goldene Zeitalter“, ein inklusiver Führer zu ausgewählten Werken der niederländischen Malerei des 17. und 18. Jahrhunderts.

Aus Finnland beteiligten sich Anniina Koivurova vom Kunstmuseum Rovaniemi, Tuija Vertainen vom Malva-Museum in Lahti, Sari Salovaara vom nationalen Culture-for-All -Service, Helsinki, sowie Kaisa Penttilä vom Finnischen Blinden- und Sehbehindertenverband und Künstlerin und Kuntspädagogin Piia Rossi am Gespräch.

Neben einigen weiteren Mitgliedern des Deutsch-Finnischer Vereins für inklusive Kulturarbeit e. V. war auch Britta Lauro vom LWL-Museum für Kunst und Kultur Münster dabei.

In einer sehr dichten Präsentation gab Birgit Baumgart einen chronologischen Überblick der Entwicklung ihrer Zusammenarbeit mit blinden und sehbehinderten Besucher*innen.

Seit 2005 sind vor allem Schweriner Gruppen Stammgäste im Museum. In etwa anderthalb-stündigen Besuchen werden vier oder fünf Kunstwerke vorgestellt. Alle Gespräche folgen dem Zwei-Sinne-Prinzip. Dabei kommen auch einfache, selbstgefertigte Tastbilder aus Karton und Papier zum Einsatz. Materialien wie verschiedene Textilien, Federn oder ähnliches dienen dazu, wichtige Bildelemente besser begreifbar zu machen. Mit Hilfe eines Spezial-Kopierers können heute auch Tastbilder von Fotokopien oder digitalen Vorlagen mit Schwellpapier erstellt werden. Eine wärmeempfindliche Schicht auf dem Papier schwillt unter kurzer, starker Beleuchtung an allen schwarz bedruckten oder bemalten Stellen dauerhaft an. So entsteht eine gut tastbare Grafik.

Das „Lese-Tast-Hör-Buch“ zu einigen Highlights der Sammlung niederländischer Meister entstand ab 2011 ebenfalls in enger Kombination mit den Schweriner Besucher*innen. Sie wählten die Bilder aus und testeten die verschiedenen Elemente des Buches. Professionelle Audiodeskriptionen der Gemälde, Fachinformationen zu verschieden kunstgeschichtlichen Aspekten und dem historischen Hintergrund flossen in die aufwendige Gestaltung ein. Ein beliebter Schauspieler des Staatstheaters Schwerin las die Texte für die beiliegende CD. Bei seinem Erscheinen 2013 erwies sich der attraktive Band als Verkaufsschlager an der Shop-Kasse.

Nachdem auch eine weitere Auflage vergriffen ist, werden heute die verbliebenen Exemplare im Museum ausgeliehen. Die inklusive Gestaltung des Buches beruht auf dem Gedanken, dass sehende und nicht sehende das Buch gleichzeitig studieren können. Auf gedruckter Großschrift und auf den farbigen Gemäldefotos liegen transparent gedruckte Braille-Schriftpunkte und bewegliche Relieffolien auf. Erläuternde Detailzeichnungen sind tastbar schwarz-weiß ausgeführt. Die Leser*innen finden also jede Information gleichzeitig an derselben Stelle im Buch. Auch die Hörbeschreibungen sind nach den Seiten im Buch gegliedert, so dass tatsächlich im selben Moment gelesen, getastet und gehört werden kann.

Gleichzeitig erreicht das Buch inzwischen auch ein neues Publikum: Sprachlernende der Universität Rostock oder der Volkshochschule Schwerin nutzen „Das goldene Zeitalter“ regelmäßig für Sprachübungen im Museum.

Die Bemühungen, Nichtsehenden Kunstwerke zu erschließen, entwickeln sich ständig weiter. Alle zwei Jahre kommen taubblinde Besucher*innen ins Museum. Schweriner Schülerinnen und Schüler treffen regelmäßig mit blinden und sehbehinderten Gästen zusammen um gemeinsam die Werke kennen zu lernen. Bildende Künstler*innen oder auch Puppenspieler*innen oder Musiker*innen eröffnen neue Zugänge zu alter und moderner Kunst, bei denen die Gäste selbst auf vielfältige Weise aktiv und kreativ werden können.

Auf diese Weise hat sich das Staatliche Museum Schwerin zu einem Labor und fachlichen Stützpunkt der inklusiven Kulturarbeit entwickelt. Im internationalen Fachgespräch gab es zahlreiche Fragen zu praktischen Problemen und Methoden. Immer wieder gab es das Bedürfnis und boten sich Anlässe, einen weiteren Austausch von Erfahrungen und Lösungsideen zu verabreden.

Text: Martin Conze, Deutsch-Finnischer Verein für inklusive Kulturarbeit e.V.

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