In unserer Diskussion am Donnerstag, dem 28. April 2022, stellte Anniina Koivurova die Erfahrungen der “Kunsttester*innen” des Kunstmuseum Rovaniemi vor. “Kunsttester*innen” ist ein nationales Kulturbildungsprogram, das die kulturelle Teilhabe junger Menschen fördern soll. Konkret geht es darum, finnischen Achtklässlern während des Schuljahres 1-2 kulturelle Erfahrungen zu bieten.
Dieses Projekt ist in der spärlich besiedelten Region Lappland besonders wichtig. Anniina Koivurova, Kuratorin für regionale Beziehungen, ist für alle Gemeinden von Rovaniemi im Osten bis zum Norden zuständig. Es handelt sich um kleine Gemeinden, die weit voneinander entfernt sind. Anniina nannte das Beispiel von Sevettijärvi, das 438 km von Rovaniemi entfernt ist. Die Schulkinder des Dorfes können nicht spontan in die Hauptstadt Lapplands oder gar nach Helsinki fahren, um ein Museum oder ein Theater zu besuchen. Selbst eine Wochenend-Reise mit ihren Familien ist aufwändig. Diese großen Entfernungen können auch eine Ursache von Exklusion sein. Gerade deshalb ist “Kunsttester*innen” ein wichtiges Projekt, denn eigene Erfahrungen und Erlebnisse sind ein wesentlicher Bestandteil der Bildung und des Heranwachsens. Die Reisekosten werden von den Sponsoren übernommen. Dabei werden den Schulen die Ziele der “Kunsttester*innen”-Fahrten zugewiesen.
Anniina begann ihre Präsentation mit einem umfassenden Überblick über die Geschichte des Kunstmuseum Rovaniemi. Die ständig wachsende Kunstsammlung der Jenny und Antti Wihuri Stiftung ist eine solide Grundlage für die hochwertige Kunstpädagogik des Museums. Vor allem während der Corona-Pandemie hat sich das Museum auch durch Online-Spiele und Video-Workshops über seine Räume hinaus ausgedehnt.
Für die “Kunsttester*innen” stellte das Museum aus den Sammlungen eine “Landing Place”-Ausstellung zusammen. Sie beschäftigte sich mit den Begriffen Raum, Schwerkraft, Unendlichkeit, Technologie und Bewegung. Die Bewegungs-, Klang- und Elektrokunstwerke inspirierten einen Workshop, in dem die Teilnehmer*innen ihre eigenen beweglichen Geräte für verschiedene Zwecke entwerfen konnten. Aus der Sicht des Museums ist die Begeisterung für das Machen und Erleben das Beste an den Besuchen.
Aber es gibt auch Raum für Verbesserungen. Von den Schulen wird erwartet, dass sich die Schüler*innen auf den Besuch vorbereiten und nach dem Besuch die Erfahrung verarbeiten. Die jeweiligen Lehrer*innen tragen dafür eine große Verantwortung. Anniina Koivurova beobachtete, dass es einen großen Einfluss hat, ob die Lehrer*innen Klassenlehrer*in, Kunstlehrer*in oder andere Fach-Lehrer*innen sind. Die Motivation und der Enthusiasmus der Schüler*innen während des Museumsbesuchs hängen auch vom sichtbaren Interesse des Lehrers oder der Lehrerin ab. Deshalb wünscht sie sich Lösungen, die Lehrkräfte zu motivieren und zu unterstützen. Sie hofft auch, dass die Schulen mehr Einfluss auf die Auswahl der Besuchsorte bekommen.
Natürlich wurde auch die Barrierefreiheit angesprochen. Die Museumsmitarbeiter*innen haben beispielsweise keinen Zugang zu persönlichen Informationen über die Mitglieder der Gruppe. Das macht es schwierig, sich auf ihre besonderen Bedürfnisse, wie etwa sensorische Probleme, Überempfindlichkeit oder soziale Einschränkungen, einzustellen. Das Kunstmuseum Rovaniemi hat neben der allgemeinen Barrierefreiheit hier zum Beispiel dem Autismus-Spektrum besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Die Kunsttester*innen wurden deshalb wegen des Lärms in der Werkstatt mit einem Gehörschutz ausgestattet. Doch die Fragen der Barrierefreiheit betreffen den gesamten Bereich der Museumsvermittlung.
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